Leseprobe – Ausflug mit Folgen

.Cover: Happy queer Summer

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Ausflug mit Folgen (Kurzgeschichte – Anthologie)

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»Wunderbar!«
Mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht ließ ich meinen Blick wandern. In den vergangenen Monaten schien sich nicht viel auf der Erde verändert zu haben. Die Menschen huschten geschäftig mit ihren Smartphones in der Hand an mir vorbei, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Von überall drangen laute Stimmen, Musik und Verkehrslärm an meine Ohren. Ich liebte es. Es versprach eine Menge Spaß. In der Menschenwelt war stets etwas los. Das perfekte Jagdgebiet für mich, um nach neuen Opfern Ausschau zu halten. Im Vergleich zu den stinklangweiligen Aufgaben in der Himmelssphäre war die Millionenmetropole das reinste Paradies für meine Abenteuerlust. An jeder Ecke erfuhr ich die geheimsten Dinge über die Menschen und niemand wusste, dass ich ihre Gedanken las. So wie keiner von ihnen ahnte, dass ich Luzifer war.
»Herrlich!«, flüsterte ich und flanierte die Straße entlang.
Es war Sommer und die Nacht war bereits hereingebrochen. Dementsprechend hatte sich der Kleidungsstil der Leute den warmen Temperaturen angepasst. Schon in den ersten fünf Minuten huschten äußerst verlockende Individuen knapp bekleidet an mir vorbei. Eine Augenweide nach der anderen. Einigen der Herren und Damen warf ich sogar einen zweiten Blick zu, was ich nur selten tat.
Mir juckte es sprichwörtlich in den Fingern. Für einen kurzen Moment schweifte ich gedanklich zurück zur Himmelssphäre. An den Ort, von wo aus ich auf direktem Weg durch den Äther hierher aufgebrochen war. Er trennte die beiden Welten voneinander. Gegen alle oftmals skurrilen Vorstellungen der nichtsahnenden Geschöpfe auf dem Planeten war ich nicht der Herr der Hölle. Sie gab es zwar wirklich, aber ich würde sie nie betreten. Umso größer war mein Genuss, wenn die Menschen über mich als den Fürsten des Fegefeuers sprachen.
In der Realität war ich ein brillanter Schwertkämpfer, ein grandioser Stratege und der unübertroffene Oberbefehlshaber der Armee. Ich unterstand nur einer Person – dem Herrscher Seraphiel. Er saß auf dem Thron. Ihm hatte ich es zu verdanken, dass ich nach dem Krieg in der Himmelssphäre wieder als einziger Erzengel die Erde betreten konnte. Geistig wie auch körperlich. Selbstverständlich nur im Verborgenen, ohne das Wissen der anderen höhren Engel. Bei all diesen besonderen Attributen meiner unvergleichlichen Persönlichkeit war die Gerissenheit eine meiner größten Eigenschaften. Nicht zu vergessen mein unwiderstehlicher Charme, darüber hinaus die Fähigkeit mit den mir angeborenen PSI-Kräften jeden um den kleinen Finger zu wickeln. Gedankenlesen, den Willen beeinflussen, und die mich umgebene Energie zu meinem Gutdünken zu nutzen, war nur ein Teil dessen, zu was ich fähig war. Ich war leicht verständlich ausgedrückt, ein wahrer Meister der Intrigen.
In Gedanken versunken blieb ich stehen und überlegte fieberhaft, wo ich den vorteilhaftesten Spaß haben könnte. In einer Bar, heute vorzugsweise eine Schwulenlocation. Oder vielleicht doch einen Ort, der voller schwitzender und halbnackter Körper war, die sich im Rhythmus der Musik bewegten. Die Entscheidung fiel auf Letzteres.
»Mister«, hörte ich die Stimme eines Mannes. Als ich mich umdrehte, baute sich ein uniformierter Polizist vor mir auf. In seinem Blick lag eine gewisse Strenge. Neben ihm stand ein zweiter Gesetzeshüter, der mich skeptisch beäugte.
»Können Sie mir erklären, warum sie eine solche Waffe mit sich führen?«
Seufzend beobachtete ich mein Gegenüber und ärgert mich über mich selbst für meine Nachlässigkeit. Ich hatte vergessen, mein Äußeres für die Augen der Menschen anders aussehen zu lassen. Ich trug eine schwarze Lederrüstung und an der linken Hüfte in der Lederscheide das Adamantschwert.
Es gab nur einen Weg, mich aus dieser lästigen Situation herauszuwinden. Deshalb begann ich mich zu konzentrieren und wollte den beiden Männern eine Lüge einflüstern, als unerwartet eine weitere, äußerst klangvolle Stimme an mein Ohr drang.
»Entschuldigen Sie, Officer. Wir sind auf dem Weg zu einer Kostümparty und haben uns verirrt. Wissen Sie, wie wir am besten zum Tompkins Square Park kommen?«
Verwundert und voller Neugier wandte ich mich um. Wie vom Blitz getroffen starrte ich den jungen Mann an, der mir ein offenherziges Lächeln schenkte. Niemals hätte ich geglaubt, dass so etwas unglaublich Faszinierendes, wie er existierte. Atemberaubend. Fesselnd. Attraktiv. All diese Begriffe kamen nicht einmal annäherend an das heran, was er darstellte. Halblange blonde Haare rahmten ein charmantes Gesicht ein. Seine abgetragene Kleidung ließ jedoch ein wenig zu wünschen übrig, verhüllte aber offensichtlich einen ansehnlichen Körper. Das Markanteste an ihm waren jedoch die Augen. Die grauen Iriden schienen mich anzusehen und dennoch blickten sie geradewegs durch mich hindurch. Sie waren von einem weißlichen Schleier umgeben. Wie war das möglich? In der Hand hielt er einen schmalen weißen Stab. Überraschend stellte ich fest, dass er keinen von uns direkt ansah, sondern in Richtung eines zugeklebten Schaufensters starrte. Was mich am meisten an ihm vereinnahmte, war allerdings die sanfte goldene Aura, die ihn umgab und die nur ich sehen konnte. Ich blinzelte mehrmals, doch sein Anblick blieb unverändert. Zu spät merkte ich, dass mein Mund offen stand. Rasch schloss ich ihn wieder und seufzte leise.
»Sie wollen zu einer Kostümparty?«, harkte der Polizist nach und musterte den jungen Mann zweifelnd, der ein bezauberndes Lächeln auf den schmalen Lippen trug.
Um die beiden Störenfriede loszuwerden, nahm ich meinen ursprünglichen Plan wieder auf. Ich manipulierte ihre Gedanken, sodass sie weitergehen sollten, als wäre nichts geschehen.
»Zum Tompkins Square nehmen sie am besten ein Taxi oder die U-Bahn«, kam die Antwort des zweiten Uniformierten. Dabei deutete er in eine bestimmte Richtung. »Sonst wäre es ein strammer Fußmarsch die Houston Street gen Osten entlang. Von der nächsten Straßenecke ist es ausgeschildert. Ich wünsche Ihnen viel Spaß auf der Party.«
Danach verschwanden die Polizisten. Ich dagegen blieb stehen und konnte die Augen nicht von dem fremden jungen Mann nehmen. Wer war er? Aber wichtiger war für mich die Frage, warum hatte er mir geholfen? Hilfe wäre nicht nötig gewesen. Um mir Antworten zu beschaffen, versuchte ich mental in seinen Verstand einzudringen und erschrak innerlich. Der Geist des Fremden umgab eine undurchdringbare Barriere. Selbst nach dem zweiten und schließlich dritten Versuch war da lediglich eine unsichtbare Schutzmauer. Augenblicklich war mein Interesse geweckt. Niemand schloss mich aus seinem Verstand aus, außer er war ein hochrangiger Engel und hieß Seraphiel oder Raphael.
»Ähm … ja … also …«, stammelte ich und taxierte ihn eingehend. Sein Erscheinungsbild brachte mich völlig aus dem Konzept.
»Ich bin übrigens Shay«, sagte er mit melodischer Stimme, die mir unvermittelt einen heißen Schauder über den Rücken jagte. Als er mir auch noch die Hand entgegen streckte, war ich im ersten Moment zu perplex, um seinen Wink zu verstehen.
»Ja … also«, begann ich von Neuem und räusperte mich. Ich benahm mich wie der letzte Vollidiot. Schließlich schüttelte ich ihm die Hand und ein leises »Danke« kam mir über die Lippen. Dieses Wort hatte ich bislang in meinem ganzen Leben nie ausgesprochen. Aber in der gegenwärtigen Situation kam es mir angemessen vor. Ich war heilfroh, dass weder Seraphiel noch sein Seelengefährte Raphael etwas davon mitbekamen. Das hätte viele Jahre Spott nach sich gezogen.
Shay hatte sich zu mir umgedreht und starrte mich neugierig an. Aber sah er mich wirklich an? Ee erweckte zumindest den Eindruck, obwohl er blind war. Diese Tatsache und dass ich nicht in der Lage war, seine Gedanken zu lesen, war ein großes Mysterium. Und dann gab es den ihn umgebende rätselhaften Glanz, der mich wie ein Magnet in seinen Bann zog. Dem musste ich auf den Grund gehen.
»Ich bin Luzifer«, antwortete ich und grinste, bis mir einfiel, dass der heiße Typ vor mir mein äußerst einnehmendes Äußere nicht erkennen konnte. Was für ein Jammer.
»Ein sehr ungewöhnlicher Name, findest du nicht auch?«
»Manchmal nennen mich die Leute auch Satan.«
»Oder auch Fürst der Hölle.« Shay feixte verschmitzt.
»Dann sind wir uns ja einig.« Gegen meinen Willen brach ich in schallendes Gelächter aus. Shay fiel mit ein.

.© Madison Clark

 

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